Ich bin nass.
Aber so richtig.
Kein Wunder, wenn es gestern Abend und die ganze Nacht hindurch geregnet hat – und auch jetzt am Morgen noch regnet. Der Wetterbericht sagt Schauer und Gewitter voraus. Nach dem Aufstehen sieht es eher so aus, als würde es sich einregnen.
Nach dem Frühstück liegt die kniffligste Frage des Tages vor mir: Was ziehe ich an? Ich bin nicht auf Regen bei warmen Temperaturen eingerichtet. Regenhose? Über die Wanderhose? Ich werde wahnsinnig schwitzen! Am Ende sind vermutlich beide Hosen nass. Also lass ich die Regenhose gleich weg. Soll ich aus gleichem Grund auch die Regenjacke weglassen und im T-Shirt wandern? Nein. Eine Kapuze ist schon praktisch.
Nach dem Frühstück geht es los. Ich starte am Marktplatz in Wehlen, gehe hinunter zur Elbe und gleich darauf nach links oben in Richtung Schwarzbergaussicht.
Steil. Ganz schön steil.
Und anstrengend. Ich schwitze jetzt schon und reiße mir die Kapuze vom Kopf. Viel zu warm.
Heute ist nichts vom Vogelgezwitscher zu hören. Viel zu laut rauscht der Regen um mich herum. Dicke Tropfen platschen auf meinen Kopf und meinen Rucksack. Meiner Knipskamera ist es zu nass – sie meldet sich für heute ab. Die gute Kamera will ich nicht dem Wetter aussetzen, also muss heute das Telefon herhalten. Merke: Ein Smartphone lässt sich nicht gut mit nassen Fingern bedienen.
Die Schwarzbergaussicht ist bei schönem Wetter sicher beeindruckend, heute fehlt mir die Muße zum Verweilen. Ich marschiere weiter zum Steinernen Tisch. Hier gibt es übrigens eine Berggaststätte, die einen neuen Besitzer und Betreiber sucht – falls sich jemand eine neue Existenz aufbauen möchte.
Es ist wirklich verdammt nass. Die Jacke ist nicht mehr die Neueste und schon durchgeweicht. Gleiches gilt für Kopfbedeckung und T-Shirt. Wenigstens ist die Hose nur mäßig feucht und die Schuhe noch völlig trocken. Gut, dass ich sie vor Abreise noch einmal imprägniert hab.
Ich stapfe durch schlammigen Waldboden und Pfützen auf der Asphaltstraße, die zur Bastei führt.
Ich liebe diesen Ort! Er beeindruckt mich immer wieder und es vergeht kaum ein Jahr, in dem ich nicht mindestens einen Ausflug hierher mache. Das größte Problem der Bastei ist ihre Beliebtheit: Normalerweise tummeln sich hier Massen von Menschen. Herden von Bustouristen, Familien, Schulklassen.
Heute mache ich eine bahnbrechende Entdeckung.
Ich finde endlich heraus, dass es an der Bastei tatsächlich einmal leer sein kann.
Keine Menschenmassen, keine Schulklassen, keine Touristenströme.
Keine einzige Menschenseele.
Man muss sich nur das grusligste Wetter aussuchen – schon hat man diesen magischen Ort für sich allein.
Ich bin wirklich pitschnass – aber eigenartigerweise hat auch das etwas Besonderes an sich!
Ich gehe über die Basteibrücke und beginne gleich darauf den Abstieg in Richtung Felgenbühne Rathen. Es geht über Stufen hinunter durch den Wald – und ich empfinde eine seltsame Freude in mir hochkriechen: Es tropft von den Bäumen, läuft ind en Nacken, ich bin durchgeweicht und sorge mich um die garantiert nicht wasserdichte Schutzhülle meiner Fototasche. Aber … das macht auch Spaß! Ich bin vollkommen allein hier, patsche durch die Pfützen und summe vor mich hin. Ich bin nun einmal nass, schlimmer kann es nicht werden. Außerdem ist es mild, so dass ich nicht einmal friere. Was sagen die Meditationsbücher immer? Alles akzeptieren, so wie es ist. Bloß nicht hadern oder etwas anderes herbeisehnen. Also akzeptiere ich und stapfe tropfnass weiter.
Bald darauf erreiche ich den Amselsee, für den ich mich ehrlich gesagt noch nie sonderlich erwärmen konnte. Dieser künstliche See wirkt auf mich niemals einladend, sondern eher wie ein Fremdkörper. Man kann dort Boote ausleihen – und andere Menschen haben sicher Spaß daran.
Ich erreiche den Gasthof am Amselfall, der (wie alle Wandergaststätten heute) absolut verwaist ist. Auch mir ist kein bisschen nach Verweilen. Heute wird durchmarschiert!
Kurz vor Rathewalde ist der Wanderweg gesperrt, sodass ich eine Umleitung nehmen muss. Doch ich erreiche den Ort, folge der Hauptstraße, biege hier und da ab und freue mich, als ich wieder auf Feldwegen laufen darf.
Kurz darauf habe ich die Wahl: Viel befahrene Straße oder der kleine Wiesenweg daneben. Normalerweise ist die Entscheidung klar – aber heute? Ein ratternder Traktor erleichtert gibt den Ausschlag für den Wiesenweg. Nur wenige Schritte später ist nicht klebt nicht nur meine Hose endgültig an meinen Beinen, sondern sind Schuhe und Socken so nass, dass ich das Patschen bei jedem Schritt spüre.
Wenn schon nass, dann richtig.
Die Aussicht auf dem Hockstein ist nicht ganz so atemberaubend, wie ich sie in Erinnerung habe. Die Schwaden von Wolken und Regen haben aber auch was. Nur fröstle ich nun mittlerweile doch ein wenig. Der angebliche Schauer dauert nun schon seit Stunden an und wird auch nicht so schnell aufhören.
Ich steige über die Wolfsschlucht ab und hoffe, dass ich mir auf den pitschnassen Metallstufen nicht alle Haxen breche .
Im Polenztal angekommen, geht es gleich nach links weiter entlang des Lehrpfades in Richtung Hohnstein – meinem Zielort. Damit es so richtig Spaß macht, führt der Weg zunächst durch hohes Gestrüpp, das mich noch einmal von oben bis unten einweicht. Das ist die letzte Motivation, um den Berg nach oben zu eilen, um schnurstracks meine Unterkunft aufzusuchen.
Kommentar der Dame an der Rezeption: „Du tropfst ja richtig!“
Ach was.
Ich bin gespannt, ob meine Sachen morgen wieder trocken sind.
Schöne Bilder trotz des gruseligen Wetters. Und – bei schönem Wetter kann ja jeder wandern 😉
Richtig! Und es hat ja auch Spaß gemacht – irgendwie 😉
[…] … nicht dass es gestern nicht auch schön gewesen wäre. Auf seine eigene […]
Wir waren Ende Oktober 2016 auf dem Malerweg unterwegs und hatten auch nicht das allerfeinste Wetter 😉 Berichte zu unseren Eindrücken findet Ihr – Etappe für Etappe – unter https://happyhiker.de/wandern/deutschland/malerweg/
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