Ich werde von einem Rauschen geweckt.
Nein – es ist nicht die Kirnitzsch die praktisch direkt unter meinem Fenster entlang fließt. Es ist der Sturzregen, der angesagt war.
Na prima.
Ich spiele mit dem Gedanken, heute auszusetzen. Meine Problemschulter schmerzt mal wieder, außerdem kann ich die Etappe irgendwann später nachholen. Draußen geht gerade die Welt unter. Muss ich mir das antun?
Erstmal frühstücken. Auf dem Tisch steht die aktuelle Wetterprognose: Gegen Mittag soll es aufklaren, dafür dann Sturmböen und Gewitter.
Hm.
Ich beschließe, loszulaufen, sobald der Regen nachlässt. Jetzt bin ich einmal hier, jetzt will ich den Weg auch komplett gehen.
Und so schlimm regnet es ja gar nicht! Nicht so schlimm wie vor zwei Tagen. Oder??
Heute hab ich eine grandiose Idee: Telefon und Knipskamera werden in einem Ziploc-Beutel in der Hand getragen, um erneute Wasserschäden zu vermeiden. Die Idee war gut – nur die Kamera spielte nicht mit. Sie ist der Meinung, dass es ihr trotzdem zu feucht ist, und sie verweigert die Arbeit. Hmpf.
Ich laufe zum Campingplatz Ostrauer Mühle und beginne zügig mit dem Aufstieg in Richtung Schrammsteinaussicht – einer meiner Lieblingsstellen in der Sächsischen Schweiz. Wie erwartet geht es kräftig bergauf und der Schweiß fließt in Strömen. Selbst wenn es nicht regnen würde, wäre ich schon nass. Also: Alles gar nicht so schlimm.
Am Jägersteig bemerke ich zum ersten Mal, dass ein großer Rucksack auf senkrecht nach oben führenden Leitern eine echte Herausforderung sein kann. Meine Arme ziehen mich nach oben – das Gewicht nach unten. Ziemlich kraftraubend.
Kurz vor der Schrammsteinaussicht treffe ich tatsächlich einmal andere Wanderer. Ich soll mich nicht davonblasen lassen dort oben, es sei ziemlich ungemütlich! Na, das klingt ja motivierend.
Ich liebe ja die Schrammsteinaussicht! Leider bin ich damit nicht allein, sodass man diesen wunderschönen Ort regelmäßig mit wahren Heerscharen von Menschen teilen muss. Doch wie schon vor zwei Tagen an der Bastei lautet das Wundermittel: Sauwetter. Keine Menschenseele ist dort oben. Zum langen Pausieren ist es mir trotzdem zu ungemütlich. Der Wind pfeift mir Tropfen ins Gesicht und lässt mich frösteln.
Also wieder nach unten.
Die Breite Kluft-Aussicht präsentiert sich heute in herrlichem Nebelgrau und verhüllt den sonst so beeindruckenden Ausblick. Dann eben nicht. Mir ist ohnehin nicht nach Verweilen. Das „Aufklaren gegen Mittag“ trifft nämlich nicht einmal annähernd ein – im Gegenteil. Schwere Tropfen fallen, laufen in den Nacken und durchweichen langsam aber sicher all meine Sachen. Ich gebe es auf, die Pfützen umlaufen zu wollen. Meine Schuhe vermelden erst bei Kilometer 9 einen Wassereinbruch – immerhin.
Der Weg führt immer durch den Wald, in dem das Vogelzwitschern heute wieder vom Dauerregen übertönt wird.
Der Rest der Etappe verläuft unspektakulär. Aussichten gibt es heute keine mehr und ich will nur noch ankommen. Das ist auch irgendwann geschafft. Da ich am Standard-Etappenort keine Unterkunft mehr gefunden habe, liegt mein persönliches Etappenziel bereits am Lichtenhainer Wasserfall – das kommt mir sehr gelegen. Hier gibt es sogar einen Trockenraum! Genau das, was ich brauche.
Morgen soll das Wetter wieder besser werden. Auch, wenn ich eine weitere Regenetappe überleben würde: Ich freue mich auf Sonnenschein.
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